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CRASH!

Ausstellung Künstlerhaus Factory Wien

11. — 27.08.2023

Kuratiert von Black Ferk Stu­dio. Matthias Moll­ner und Judith Schoßböck

Über­sicht

ME/CFS (Myal­gis­che Enzephalomyelitis / Chro­nis­ches Fatigue-Syn­drom) heißt das Mon­ster, gegen das so viele betrof­fene Men­schen und ihre Ange­höri­gen in Öster­re­ich und weltweit kämpfen. Eine schwere und keineswegs sel­tene Mul­ti­sys­te­merkrankung, für die es bis heute wed­er eine kausale Ther­a­pie noch eine all­ge­mein zugängliche Behand­lung gibt. Infolge der Covid-19-Pan­demie und durch die Mil­lio­nen von Post- bzw. Long-Covid-Betrof­fe­nen ist diese oft verkan­nte und vom Gesellschafts- und Gesund­heitssys­tem ver­harm­loste Krankheit ein Stück mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.

„Diese Ausstel­lung in diesem Ter­ror über­haupt zu ver­suchen, ist kom­plet­ter Wahnsinn“ – das war ein­er der Gedanken, die Judith Schoßböck und Matthias Moll­ner durch den Kopf gin­gen, als sie im Herb­st 2021 beschlossen, ihren per­sön­lichen Schick­salss­chlag in die Kun­st zu über­set­zen – als Ver­ar­beitung des Erlebten und als intimer Ein­blick in eine stille und unsicht­bare Welt, in der „Mil­lio­nen ver­mis­ste Men­schen“ (#Mil­lion­s­Miss­ing) ihre weni­gen Energiere­ser­ven für das tägliche (Über-)Leben und mehr Anerken­nung mobil­isieren. Eine Krankheit, die dem vorherrschen­den Moti­va­tions- und Leis­tungs­denken diame­tral ent­ge­gen­ste­ht, da sie Aktiv­ität und Anstren­gung mit ein­er Zus­tandsver­schlechterung bestraft.

Moll­ner und Schoßböck (alias Black Ferk Stu­dio) sowie weit­ere betrof­fene Künstler*innen und Kreative reflek­tieren in dieser Ausstel­lung die mit ME/CFS ver­bun­dene Leben­sre­al­ität. Kun­st zu schaf­fen, erhält in diesem Zusam­men­hang eine beson­dere Bedeu­tung, da sie für Betrof­fene auch eine riskante, mit kör­per­lichen Fol­gen ver­bun­dene Betä­ti­gung ist. Die meist vorhan­dene extreme Reizempfind­lichkeit macht jede Aktiv­ität oder Teil­nahme an ein­er Gemein­schaft zu ein­er beson­deren Herausforderung.

In der Schau verbinden sich kün­st­lerische Per­spek­tiv­en und weit­er­führen­des Wis­sen zu einem the­ma­tis­chen Bogen: vom per­sön­lichen Blick der Betrof­fe­nen zum gesellschaftlichen Stand­punkt, von der Macht­losigkeit zum aktivis­tis­chen Kampf, von der Iso­la­tion des Indi­vidu­ums zur Sicht als Gemein­schaft, vom emo­tionalen Erleben im Dauerkrisen­modus zu wis­senschaftlichen Fak­ten. Die Ausstel­lung erzählt Geschicht­en von der „Nacht­seite des Lebens“ (wie Susan Son­tag Krankheit als Meta­pher umschrieb), gibt Ein­blicke in deren Bewäl­ti­gung, und stemmt sich mit Offen­heit und schwarzbun­tem Humor gegen das Leid und das Vergessen.

Rundgang durch die Ausstellung

Mit Arbeit­en von

  • Christina Baltais, Cover
    Christi­na Baltais 
  • Untitled Artwork
    Ruth Braham 
  • Whitney Dafoe, Cover
    Whit­ney Dafoe und Mark Tuschman 
  • Sibylle Dahrendorf, Cover
    Sibylle Dahrendorf 
  • Mila und Sabine Hermisson, Cover
    Mila und Sabine Hermisson 
  • Hazel Hughes, Cover
    Hazel Hughes 
  • Sunniva Innstrand, Cover
    Sun­ni­va Innstrand 
  • Noli Kat, Cover 2
    Noli Kat 
  • Matthias Mollner, Cover
    Matthias Mollner 
  • Missing Neighbor, Cover
    Mar­tin Keogh aka The Miss­ing Neighbor 
  • Olivia, Cover
    Olivia 
  • Anna Parker, Cover
    Anna Parker 
  • Judith-Schoßböck,-Cover-2
    Judith Schoßböck 
  • Ilse-Sjouke,-Cover
    Ilse Sjouke und Mar­tine Brandt 
  • James Strazza, Cover
    James Strazza 
  • Anil van der Zee, Cover
    Anil van der Zee 

Wissensoase

Die Wis­sensoase ist ein von Matthias Moll­ner gestal­tetes Tischob­jekt mit blauen Pal­men, auf dem das The­ma ME/CFS aus ver­schiede­nen Blick­winkeln beleuchtet wird. Hier find­en sich Infor­ma­tio­nen zu medi­zinis­chen und poli­tis­chen Hin­ter­grün­den, Videos von Aktivis­ten und Fotos von Protesten, Infor­ma­tion­s­grafiken und weit­er­führende Links.

Diese Lese­ma­te­ri­alien sind in der Online-Ausstel­lung als .pdf Dateien ver­füg­bar. Ver­weise zu wis­senschaftlichen Fachar­tikeln, Web­sites, social media, etc., kön­nen über die entsprechen­den Links direkt aufgerufen werden.

Autor*innen: Öster­re­ichis­che Gesellschaft für ME/CFS (ÖG ME/CFS), Michael Gomez, Sun­ni­va Innstrand, Judith Schoßböck

Themenkataloge als .pdf Download

Mit Beiträ­gen von

  • Broken Battery, Cover 2
    Bro­ken Battery 
  • Faraz Fallahi, Cover 2
    Faraz Fallahi 
  • Unbenanntes Projekt
    Franziska Hannig 
  • Reante Mowlam, Cover
    Renate Mowlam 
  • Kristine Cornelia Paulsen, Cover
    Kor­nelia Paulsen 

Statements zur Ausstellung

Eva-Maria
Die Ausstel­lung im Kün­stler­haus hat mich seeeehr berührt. Es war eine der emtion­al nahege­hend­sten Ausstel­lun­gen, die ich je gese­hen habe. Vielle­icht, weil das kün­st­lerische Schaf­fen unter so extrem schw­eren Bedin­gun­gen stat­tfind­et, dass die Werke eine ganz eigene, einzi­gar­tige Radikalität bekommen.

Andrea
Als Betrof­fene von ME/CFS hat mich diese Ausstel­lung unfass­bar berührt. Ich hat­te nicht damit gerech­net, wie emo­tion­al mich diese Ausstel­lungsstücke machen wür­den, aber jedes einzelne hat mich in mein­er Seele tief getrof­fen und bewegt.
Es ist zutief­st bewun­dern­swert, was in dieser Ausstel­lung von Betrof­fe­nen und Ange­höri­gen auf die Beine gestellt wurde und bin dankbar, dass dadurch diese wenig beachtete Krankheit Aufmerk­samkeit gefun­den hat.

ME/CFS ist eine schwere und keineswegs sel­tene Mul­ti­sys­te­merkrankung, über die wir bish­er viel zu wenig wis­sen, und für die es bis heute wed­er eine kausale Ther­a­pie noch eine all­ge­mein zugängliche Behand­lung gibt. Infolge der Covid-19-Pan­demie und durch die Mil­lio­nen von Post- bzw. Long-Covid-Betrof­fe­nen ist diese Krankheit zwar stärk­er sicht­bar gewor­den (und es gibt lei­der jet­zt noch viel mehr Betrof­fene), aber gle­ichzeit­ig wird sie von Gesellschaft und Gesund­heitssys­tem oft weit­er verkan­nt und verharmlost.

Einen großen Dank und eine ehrliche Anerken­nung gilt Judith Schoßböck und Matthias Moll­ner für den Mut und das Engage­ment, eine der­ar­tig wage­mutige wie her­aus­fordernde Unternehmung umzuset­zen, über eine Kun­stausstel­lung – ana­log in der FACTORY im Kün­stler­haus und nun als dig­i­tales Dis­play – einen Ein­blick in diese ver­bor­ge­nen Wel­ten zu ermöglichen. Hier wird wirk­lich Pio­nier­ar­beit geleis­tet! Ein Dank auch an die betrof­fe­nen Künstler*innen, die in dieser Ausstel­lung die mit ME/CFS ver­bun­dene Leben­sre­al­ität vielfältig und mit großer Kraftanstren­gung reflektieren.

Was kann Kun­st? Was kann eine Ausstel­lung wie diese bewirken? Kun­st kann Bewusst­sein schaf­fen! Die Stärke von kün­st­lerischen Arbeit­en kann darin liegen, dass sie berühren, vielle­icht auch einen emo­tionalen Aus­nah­mezu­s­tand her­vor­rufen, der uns zum Nach­denken ver­führt. Gefüh­le sind wirkkräftiger als der reine Intellekt und ein the­o­rielastiger Diskurs, etwa Analy­sen und Sta­tis­tiken über die Krankheit und ihre Fol­gen. So kann ein geistiger, ideeller Raum geschaf­fen wer­den, in dem Empathie geweckt wird und Anerken­nung gelin­gen kann – Anerken­nung und in Folge darauf hof­fentlich auch Unter­stützung für chro­nisch kranke Men­schen, die von unser­er Gesellschaft oft nicht gese­hen und aus­geschlossen werden.

In der Ausstel­lung wer­den sie gese­hen. Es ist hier etwas Außeror­dentlich­es gelun­gen und ich freue mich, dass das Kün­stler­haus den Ort dafür bere­it­stellen durfte und die Schau nun weit­er in im dig­i­tal­en Raum gese­hen wer­den kann.

State­ment zur Ausstel­lungseröff­nung am 10.08.2023

Willkom­men allerseits,

Hier schreibt Judith aus ihrem Bett in Oberöster­re­ich. Es freut mich sehr, dass ich auf diese Weise auch paar Gedanken zu unserem Herzens-Pro­jekt beis­teuern kann. Und so inte­griere ich mich ein­fach ein biss­chen selb­st, und mache mich damit sichtbar.

Das kann ich gut, obwohl ich per­sön­lich das sel­tene Glück habe, dass viele mich mit­denken und kreative Wege find­en, wie ich trotz­dem präsent sein kann. Und den­noch: als chro­nisch kranker Men­sch habe ich diese Inte­gra­tions-Übung mit­tler­weile scham­los gelernt.

Dass man sie in vie­len Sit­u­a­tio­nen aktiv betreiben muss — will man nicht kom­plett ver­schwinden — und dass das auch anstren­gend ist, das hat schon ein mir sehr lieber Kobold gewusst:

„Sicht­bar-Sein macht müde
Gott behüde“

So sagt es näm­lich der Pumuckl. Und:

„Pumuckl ver­schwindet
nie­mand ihn find­et,
weil es nicht gibt
was man nicht sieht.“

Genau gegen dieses Prinzip gerichtet, gegen ein „aus den Augen, aus dem Sinn“ ver­ste­ht sich die Arbeit unseres Stu­dios. Denn dass das son­st Ver­bor­gene richtig faszinierend, bewe­gend und wichtig sein kann, davon sind wir überzeugt.

Mehr als zwei Jahre Organ­i­sa­tion, häu­fig im gesund­heitlichem Krisen­modus, liegen jet­zt hin­ter uns — zu sagen es war eine Her­aus­forderung wäre ein Understatement.

Zwis­chen Behör­den- und Symp­tomkampf bedeutet die Umset­zung so eines Vorhabens mit dieser Krankheit natür­lich auch viele Abstriche: den Part­ner weniger sehen kön­nen, auf Exper­i­mente mit Medika­mente verzicht­en, noch weniger Pausen in ein­er Welt, in der es ohne­hin niemals Urlaub gibt. An manchen Tagen fühlte ich mich wie in einem dop­pel­ten Ham­ster­rad — dem der Krankheit, und dem des Projekts.

Eine beson­dere Her­aus­forderung ist es auch, Werke von Beteiligten zu zeigen, die selb­st ger­ade schw­er gegen das Mon­ster kämpfen. Manche der hier gezeigten Künstler*innen kon­nten nicht selb­st auf ihre Arbeit­en zugreifen, oder Texte schreiben, andere ver­bracht­en uner­wartet mehrere Wochen im Kranken­haus. Da hieß es impro­visieren oder gle­ich­w­er­tige Alter­na­tiv­en kreieren. Die Schaf­fens­be­din­gun­gen manch­er Werke reflek­tieren sich also auch in unser­er Ausstel­lung mit. Wir sind froh dass wir sie trotz­dem alle präsen­tieren kön­nen — dank vie­len vere­in­ten Kräften.

Denn auf diese läuft es immer wieder hin­aus. Mit ihnen ist Großes möglich — und ohne sie nichts.

Ich danke daher allen, die mit­ge­holfen haben unser Pro­jekt zu ermöglichen: meinem wun­der­vollen und uner­müdlichen Part­ner, unseren Pro­jek­t­part­ner­in­nen, allen Künstler*innen, und unseren Freund*innen. Aber auch und beson­ders allen Unbekan­nten, die vielle­icht zufäl­lig, und ohne „das Mon­ster“ bere­its zu ken­nen, über unser Pro­jekt gestolpert sind.

Euer Inter­esse und das Teilen unseres Pro­jek­tes bedeutet mir sehr viel, da ihr dadurch dabei helft, mehr Sicht­barkeit, Wis­sen, und Aus­tausch zu schaf­fen, aber vor allem: ein­drucksvolle und beson­dere Kun­st zeigen zu können. 

Ich wün­sche Ihnen und euch viele tolle Ein­drücke — achso: der Pumuckl möchte auch noch was sagen, und zwar:

„Wer mich ein­mal gese­hen hat, der wird mich immer sehen — unsicht­bar bin ich nur noch für andere Menschen.“

In diesem Sinne wün­schen wir euch eine schöne Erfahrung in unser­er Online-Ver­sion der Ausstellung.

Symposium CRASH!

Am 18.08.2023 fand im Rah­men der Ausstel­lung ein Sym­po­sium statt. Am Pro­gramm standen Fachvorträge, eine Lesung und eine Performance.

Pro­gramm:

  • Lesung Bar­bara Kauf­mann — Die Verdächtigen
  • Vor­trag Dr. Mar­tin Komen­da-Lett — Jen­seits von bekan­nten Struk­turen: ME/CFS als Her­aus­forderung für die ärztliche Tätigkeit
  • Vor­trag Dr. Jen­nifer Blauen­stein­er — MicroR­NAs der Blut­ge­fäße in ME/CFS
  • WE&ME Foun­da­tion
  • Videovor­trag Andrea Strohriegl — Com­mu­ni­ty und Aktivis­mus: Was kann man als Gemein­schaft bewirken?
  • Öster­re­ichis­che Gesellschaft für ME/CFS
  • Vor­trag DDr. Markus Gole — Erschöp­fung und psy­chis­che Erkrankun­gen: dif­fer­en­tial­diag­nos­tis­che Wege zu ME/CFS
  • Per­for­mance Matthias Moll­ner — Stop and Go

Mod­er­a­tion: Univ.-Prof. Dr. Joachim Her­mis­son und Matthias Mollner

Medienberichte

 

Blog­beiträge und Podcasts:

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